Wer Logan Sargeant am Donnerstag in der Pressekonferenz sah, der wusste, dass irgendetwas nicht stimmen konnte. Selten sah man einen Fahrer bei seinem Heim-GP so desillusioniert. Dabei liegt Sargeants Geburtsort Fort Lauderdale nur 30 Kilometer von der Rennstrecke in Miami entfernt. Von Vorfreude war trotzdem recht wenig zu spüren. Der Grund dafür dürfte auf der Hand liegen: Der US-Amerikaner ist so angezählt wie noch nie in seiner recht kurzen Formel-1-Karriere.

Als Teamkollege Alex Albon in Melbourne sein Chassis im Training zerstörte, musste Sargeant ihm sein Auto für das restliche Wochenende überlassen. Möglicherweise muss er sein Auto bald schon für immer einem anderen Fahrer überlassen. Die Gerüchte, dass Mercedes seinen Youngster Andrea Kimi Antonelli noch 2024 im Williams sehen will, verdichten sich.

Antonelli zu jung für die Formel 1

Das Problem: Antonelli hat zwar bereits ausreichend Punkte für seine Superlizenz gesammelt, ist aber erst 17 Jahre alt. Nach dem Formel-1-Debüt von Max Verstappen änderte die FIA die Regeln für die Superlizenz. Neben dem Punktesystem gibt es mit 18-Jahren auch eine Altersuntergrenze.

Antonelli feiert seinen 18. Geburtstag am 25. August - am Rennsonntag des Niederlande GP 2024. Es ist das erste Rennen nach der Sommerpause. Theoretisch dürfte der Italiener an den drei Trainingssitzungen teilnehmen, am Qualifying aber nicht. Sein Rennstart würde dann von der Gunst der Stewards abhängen.

Doch Mercedes hätte Antonelli gerne früher im Williams. Schließlich sucht man noch immer nach einem Nachfolger für Lewis Hamilton. In den vergangenen Wochen durfte Antonelli erstmals Formel-1-Luft schnuppern: Zunächst bei einem Privat-Test mit dem 2021er Mercedes auf dem Red Bull Ring, kurz darauf bei einem Privat-Test mit dem 2022er Mercedes in Imola.

Dabei konnte der Formel-2-Pilot Mercedes offenbar so überzeugen, dass man das Supertalent unbedingt richtig ausprobieren will - so schnell wie irgendwie möglich. Das Werksteam ist 2024 aber mit George Russell und Lewis Hamilton dicht.

Wie einst bei Russell könnte ein Mercedes-Junior aber wieder beim Kundenteam Williams geparkt werden. Oder? "Die einzigen Informationen, die ich zum Test habe, kommen aus den Medien. Ich habe keine direkte Kommunikation mit Mercedes, wie er sich in den Tests schlägt", stellt Williams-Teamchef James Vowles klar.

Superlizenz gegen die Regeln?

"Ich habe seit Abu Dhabi nicht mehr mit Kimi gesprochen", fügt Vowles an. Trotzdem soll es ein Ersuchen bei der FIA gegeben haben, für Antonelli eine Ausnahme bei der Superlizenz zu machen. Beim Automobilweltverband, so ist zu hören, ist man von der Idee aber wenig begeistert.

Warum sollte man ohne Not die eigenen Regeln brechen? Schließlich gibt es derzeit 20 gesunde Fahrer in der Formel 1 und für den Fall der Fälle auch unzählige Ersatzfahrer, die das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben und über die nötigen Superlizenzpunkte verfügen.

Schlechte Nachrichten für Antonelli und Mercedes, gute Nachrichten für Sargeant - und für Vowles zumindest in der Pressekonferenz, der wohl auch der Superlizenz-Thematik wegen der Geschichte den Wind etwas aus den Segeln nehmen konnte: "Wir haben im Moment viel größere Probleme zu lösen als unsere Fahrer. Alex [Albon] ist weltmeisterlich gefahren und hat noch keinen einzigen Punkt geholt. Wir müssen das Auto verbessern, darauf konzentriere ich mich derzeit. Im Moment gab es keine Anzeichen, ihn [Sargeant] zu ersetzen."

Trotzdem brechen für Sargeant harte Zeiten an. "Es ist eine Leistungsgesellschaft. Logan muss sich seinen Platz verdienen und im Moment hat er einige schwierige Ziele, er muss viel näher an Alex kommen", fordert der Teamchef. Wenige Stunden, nachdem Vowles diesen Satz formulierte, gewann der US-Amerikaner erstmals ein Qualifying-Duell gegen seinen Teamkollegen. Dabei half der Thailänder auch tatkräftig mit, indem er auf seiner schnellsten Runde die Streckenbegrenzung überfuhr.

Antonelli doppelt gut für Williams

Für Williams könnte ein frühzeitiger Wechsel aber tatsächlich doppelt Sinn machen. Mit Sargeant sitzt kein Punktegarant im zweiten Auto. Ganz im Gegenteil: Während Albon 2023 satte 27 Punkte holte, ging ein mageres Pünktchen auf das Konto von Sargeant. Das erbte er, weil zwei Fahrer disqualifiziert wurden. Williams braucht 2024 jeden Punkt. Nach fünf Rennen steht man noch komplett ohne zählbaren Erfolg da.

Außerdem könnte der Mercedes-Gefallen Williams auch anderweitig helfen. Die Achse zwischen Werks- und Kundenteam könnte wieder etwas gestärkt werden. Williams bezieht nicht nur den Motor vom Werksteam, sondern auch Getriebe samt Hinterachse. Aufgrund von Fertigungskapazitäten muss Williams hier auf die Vorjahresversion zurückgreifen.